II. Begriffsdefinitionen des OECD-MA

Art. 3 OECD-MA enthält einige Definitionen für verschiedene Begriffe des Abkommens.

 

„Person“
Art. 3 Abs. 1a) OECD-MA
natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen
„Staatsangehöriger“
Art. 3 Abs. 1 g) OECD-MA
jede natürliche Person, die die Staatsangehörigkeit oder Staatsbürgerschaft des betreffenden Vertragsstaats besitzt,
und
jede juristische Person, Personengesellschaft und andere Personenvereinigung, die nach dem in diesem Vertragsstaat geltenden Recht errichtet worden ist
„Gesellschaft“
Art. 3 Abs. 1b) OECD-MA
juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden
„Unternehmen“
Art. 3 Abs. 1c) und d) OECD-MA

„Unternehmen eines Vertragsstaats“


„Unternehmen des anderen Vertragsstaats“

Ausübung einer Geschäftstätigkeit

Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird
Unternehmen, das von einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird

„Geschäftstätigkeit“
Art. 3 Abs. 1 h) OECD-MA
schließt die Ausübung einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit ein

 

Ein weitere Definition findet sich in Art. 5 OECD-MA zum Begriff der „Betriebsstätte“[1],[2].

Hauptfall der „Betriebsstätte“ im Sinne des Art. 5 Abs. 1 OECD-MA ist die „feste Geschäftseinrichtung“, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Dagegen reicht nach § 12 Satz 1 AO eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Danach sind ergänzend umfasst alle unterstützenden und Hilfseinrichtungen, was nach Art. 5 DBA-MA nicht der Fall ist. Als Beispiel der Differenzierung ist das Warenlager zu benennen: nach der AO ist es eine Betriebsstätte, nach dem OECD-MA nicht.

Die kumulativen Merkmale der festen Geschäftseinrichtung i. S. v. Art. 5 OECD-MA sind:

–          eine (nicht nur vorübergehende) Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen (als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal nach Rechtsprechung und Literatur),

–          eine ständige Verbindung mit dem Erdboden des Territoriums des Quellenstaats,

–          eine dauerhafte Nutzung, d. h. länger als 6 Monate (vgl. § 12 AO),

–          die Betriebsstätte muss der Tätigkeit des Unternehmens unmittelbar dienlich sein, wobei reine Hilfs- und Nebentätigkeiten nicht genügen, hier ist auf den nicht abschließenden Negativkatalog des Abs. 4 hinzuweisen. Das Unternehmen muss nicht „Unternehmer“ im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG sein, d. h. eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich.

Ein Sonderfall der „Betriebsstätte“ sind Bauausführungen und Montagen. Hier ist eine „feste Geschäftseinrichtung“ nicht erforderlich, maßgeblich für die Betriebsstätteneigenschaft ist vielmehr die zeitliche Komponente. Nach deutschem Recht muss eine Mindestdauer von 6 Monaten einer, einer von mehreren oder mehreren ohne Unterbrechung aufeinanderfolgenden Bauausführungen/Montagen vorliegen (vgl. § 12 Ziff. 8 AO). Nach dem Abkommensrecht sind regelmäßig 12 Monate für jede einzelne Bauausführung/Montage erforderlich, um die Betriebsstätteneigenschaft zu erfüllen (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA)

Unter dem Begriff der Bauausführung ist die Errichtung eines Bauwerks, einer Anlage oder von Teilen davon zu verstehen.[3] Montage ist das endgültige Zusammenfügen oder der Um-/Einbau vorgefertigter Teile zu einem Ganzen, nicht aber bloße Reparatur- oder Instandsetzungsarbeiten.[4]

Ein weiterer Sonderfall der Betriebsstätte ist die „Vertreterbetriebsstätte“. Auch hier ist eine „feste Geschäftseinrichtung“ nicht erforderlich, maßgeblich für die Betriebsstätteneigenschaft ist der personelle Bezug des Vertreters zum Staatsgebiet. Im deutschen Recht existiert mit § 13 AO eine eigene Vorschrift für die Vertreterbetriebsstätte.

Im Abkommensrecht ist die Vertreterbetriebsstätte ein Unterfall der „Betriebsstätte“ des Art. 5 OECD-MA, wobei von den drei Erscheinungsformen

–          „abhängiger“ Vertreter des Art. 5 Abs. 5 OECD-MA,

–          „unabhängiger“ Vertreter des Art. 5 Abs. 6 OECD-MA,

–          Tochtergesellschaft als Vertreter gem. Art. 5 Abs. 7 OECD-MA,

nur der abhängige Vertreter eine Betriebsstätte im abkommensrechtlichen Sinn darstellt.

Voraussetzung eines „abhängigen“ Vertreters ist ein über die Bindung an geschäftliche Weisungen hinausgehendes Abhängigkeitsverhältnis des Vertreters zum Unternehmen; ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis, z. B. im Sinne einer Anstellung, ist jedoch nicht erforderlich. Fehlendes wirtschaftliches Risiko des Vertreters ist ein Abhängigkeitsindiz. Der Vertreter muss Abschlussvollmacht besitzen, d. h. er muss das Unternehmen rechtlich oder wirtschaftlich binden können (wobei mittelbare Stellvertretung genügt) und diese Abschlussvollmacht gewöhnlich auch ausüben.

Voraussetzung für das Vorliegen eines „unabhängigen“ Vertreters ist, dass der Vertreter über den Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit hinaus Geschäftsbeziehungen für das vertretene Unternehmen unterhält, d. h. Tätigkeiten ausübt, die nach der Verkehrsanschauung außerhalb des Geschäftszweiges bzw. Berufsbildes liegen. Die Hilfs- und Nebentätigkeiten des Negativkatalogs des Abs. 4 begründen keine DBA-rechtliche Vertreterbetriebsstätte.

Grundsätzlich ist eine Tochtergesellschaft kein – eine Vertreterbetriebsstätte begründender – Vertreter der Muttergesellschaft. Ausnahmsweise ist die Tochtergesellschaft dann als abhängiger Vertreter anzusehen, wenn sich dies aus den Umständen außerhalb der Beherrschung ergibt und nicht in ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit begründet ist.

 

Unter den Betriebsstättenbegriff nach den §§ 12, 13 AO fallen: Bau/Montagen, die länger als sechs Monate dauern; Warenlager; Ein- oder Verkaufsstellen sowie ständige Vertreter (weisungsgebundene Geschäftsbesorgung). Dem Betriebsstättenbegriff nach Art. 5 OECD-MA unterliegen Bau/Montagen, die länger als zwölf Monate dauern. Warenlager und Ein- oder Verkaufsstellen unterfallen nicht diesem Betriebsstättenbegriff. Ein Vertreter unterfällt diesem Betriebsstättenbegriff nur dann, wenn er bevollmächtigt ist, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen, und gewöhnlich diese Vollmacht im anderen Vertragsstaat, aber nicht im Rahmen eines Warenlagers oder eine Ein -oder Verkaufsstelle ausübt. Nicht ausreichend ist ein Makler, ein Kommissionär oder ein sonstiger unabhängiger Vertreter im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit.

Der Betriebsstättenbegriff ist in der Praxis – da viele Abweichungen vom OECD-Musterabkommen vereinbart werden und sich das jeweilige Land seines eigenen nationalen Begriffs der Betriebsstätte bedient – sehr schillernd.

Aktuelle Probleme zu dieser Begrifflichkeit sind dem OECD-Aktionsplan (BEPS), insbesondere dem Papier „Preventing the Artificial Avoidance of PE Status“ zu entnehmen. Grundsätzlich werden die Betriebsstätteneinkünfte in dem Staat besteuert, in welchem eine Betriebsstätte vorliegt. Im Sitzstaat, also dem Staat des Stammhauses, werden Betriebsstätteneinkünfte im Regelfall freigestellt.

Durch den Vertrieb von Produkten über das Internet entsteht in dem Staate des Absatzes keine Betriebsstätte und damit keine Steuerpflicht. Das in Deutschland befindliche Auslieferungslager, welches die Belieferung der Endkunden nach einer Bestellung beispielsweise in Amerika vornimmt, übt lediglich Hilfsfunktionen im Sinne von Art. 5 Abs. 4 OECD MA aus und hat keine Vertreterfunktion im Sinne von Art. 5 Abs. 5 OECD MA. Es liegt keine Betriebsstätte vor. Unklar ist weiter, wie sich die Umsatzsteuer zu diesem Problem verhält.

Der Verkauf über unabhängige Kommissionärsstrukturen, welche bisher in der Subsumtion eine Betriebsstätte vermieden haben, soll zukünftig dann nicht mehr gegeben sein, wenn der Kommissionär fast ausschließlich für ein Unternehmen oder für verbundene Unternehmen handelt.

Gestaltungen zur Fristberechnung bei Bau- und Montageverträge sollen aufgegriffen werden, um eine klare Zuordnung zu ermöglichen.

Bei Versicherungen soll eine Betriebsstätte im Ausland dann angenommen werden, wenn Prämieneinnahmen in diesem Land vorgenommen werden, die Risiken versichern, die in diesem Vertragsstaat liegen.

[1] Siehe hierzu die Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze, BMF vom 24.12.1999, IV B S 130 – 111/99, BStBl I 1999 S. 1076, geänd. durch BMF vom 20.11.2000, IV B 4 – S 1300 – 222/00, BStBl I 2000 S. 1509, geänd. durch BMF vom 25.08.2009, IV B 5 – S 1341/07/10004, BStBl I 2009 S. 888.

[2] Die Schreibweise dieses Wortes ist uneinheitlich; das Muster-DBA benutzt nur das einfache „s“, viele Kommentierungen und Literatur benutzen das doppelte „s“. Dieses Buch benutzt den Ausdruck stets mit doppeltem „s“

[3] BFH vom 21.10.1981, BStBl II 1982 S. 241.

[4] BFH vom 16.05.1990, BStBl II 1990 S. 983.