e) Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG

Die Regelungen des § 6 AStG zur Wegzugsbesteuerung führen zur Besteuerung eines fiktiven Veräußerungsgewinns zum Zeitpunkt des Wohnsitzwechsels, wenn:

–          es sich um eine natürliche Person handelt, die insgesamt mindestens 10 Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war, Staatsangehörigkeit unerheblich,

–          diese Steuerpflicht durch die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes endet (irrelevant, wohin die Person zieht),

–          erfasst sind Vermögenszuwächse, die Anteile an inländischen und ausländischen Kapitalgesellschaften i. S. v. § 17 EStG betreffen (also mindestens 1 % mittelbare oder unmittelbare Beteiligung in den letzten 5 Jahren) und im Privatvermögen gehalten werden.

§ 6 Abs. 1 Satz 2 enthält Tatbestände, die der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht gleichgestellt sind, Absatz 2 regelt die Fälle der unentgeltlichen Übertragung von Anteilen und führt damit zu Einbeziehung der Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht des Rechtsvorgängers. In Absatz 3 findet sich eine Sonderregelung bei „vorübergehender Abwesenheit“ (5 bis maximal 10 Jahre).

Rechtsfolge des § 6 AStG ist die Besteuerung der stillen Reserven an der wesentlichen Beteiligung unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens, §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG. Besteuert wird die Differenz zwischen gemeinem Wert und Anschaffungskosten. Die Besteuerung realisierter Veräußerungsgewinne durch beschränkt Steuerpflichtige bleibt von der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG unberührt, allerdings wird dabei der Veräußerungsgewinn um den nach § 6 AStG besteuerten Vermögenszuwachs gekürzt.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die allgemeine Stundungsmöglichkeit gemäß § 6 Abs. 4 AStG (bis zu 5 Jahren, mit Sicherheitenstellung). Zinslose Stundung wird v.A.w. gewährt in EU-/EWR-Fällen gemäß § 6 Abs. 5 AStG, wenn der Steuerpflichtige im Zuzugsstaat einer der unbeschränkten deutschen Einkommensteuerpflicht entsprechenden Steuerpflicht unterliegt und die Amtshilfe sowie die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung der geschuldeten Steuer zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zuzugsstaat gewährleistet sind.

§ 6 Abs. 5 Satz 3 AStG wurde durch das Zollkodexanpassungsgesetz vom 22.12.2014[1] ergänzt: die neue Nr. 4 dehnt die zinslose Stundungsregelung auf die Fälle des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG aus, wenn der Steuerpflichtige Anteile an einer in einem EU/EWR-Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft hält. Hintergrund der Neuregelung ist, dass der Auffangtatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG (u. a.) die Fälle erfasse, in denen Deutschland nach einem DBA den Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils im Sinne des § 17 EStG freistellen oder die ausländische Steuer anrechnen muss (z. B. wenn das DBA dem ausländischen Staat der Ansässigkeit der Kapitalgesellschaft ein Besteuerungsrecht zuweist. In diesen Fällen sei nach der Rechtsprechung des EuGH[2] eine sofortige Einziehung der geschuldeten Steuer nicht mit den europäischen Grundfreiheiten zu vereinbaren.[3]

[1] BGBl I 2014 S. 2417.

[2] EuGH vom 23.01.2014, C-164/12, DMC, BFH/NV 2014, S. 478.

[3] Vgl. Gesetzesbegründung im Regierungsentwurf vom 24.09.2014 S. 65.