§ 90 Abs. 3 AO[1] enthält umfangreiche Aufzeichnungspflichten bei Vorgängen mit Auslandsbezug. In solchen Fällen hat der Steuerpflichtige über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG Aufzeichnungen zu erstellen, die auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen mit den Nahestehenden umfassen müssen. Dieselben Aufzeichnungspflichten treffen Steuerpflichtige, die für die inländische Besteuerung Gewinne zwischen ihrem inländischen Unternehmen und dessen ausländischer Betriebsstätte aufzuteilen oder den Gewinn der inländischen Betriebsstätte ihres ausländischen Unternehmens zu ermitteln haben.
Vom persönlichen Anwendungsbereich der Norm sind Steuerpflichtige mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG und Unternehmen mit Betriebsstätten bzw. Stammhaus im Ausland (Begriff der „Geschäftsbeziehung“) umfasst.
Es handelt sich bei dieser Vorschrift um die erste gesetzliche Regelung von Verrechnungspreisdokumentationen, sie wird konkretisiert durch die Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung.[2] Das BMF hat die sog. Verwaltungsgrundsätze-Verfahren[3] erlassen, in denen die Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahestehenden Personen mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen in Bezug auf Ermittlungs- und Mitwirkungspflichten, Berichtigungen sowie auf Verständigungs- und EU-Schiedsverfahren niedergelegt sind. Das Schreiben enthält eine ausführliche Stellungnahme der Finanzverwaltung zu den Dokumentationspflichten. Kernpunkte der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren sind:
– Pflichten und Ermittlungsgrundsatze der Finanzbehörden im Rahmen der steuerlichen Betriebsprüfung,
– Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Rahmen der Sachverhalts- und der Angemessenheitsdokumentation (Tz. 3.4.11 und 3.4.12 Verwaltungsgrundsätze-Verfahren),
– Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Mitwirkungspflichten.
Die erhöhten Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 2 AO bleiben davon unberührt.
Nach Ansicht des BFH[4] ist § 90 Abs. 3 AO unionsrechtskonform. Als zwingender Grund des Allgemeininteresses sei insbesondere das Erfordernis einer wirksamen Steueraufsicht in der ständigen EuGH-Rechtsprechung anerkannt.[5] Offen ließ der BFH allerdings, ob einzelne Dokumentationspflichten in den Tz. 3.4 Verwaltungsgrundsätze-Verfahren unionsrechtlich verhältnismäßig sind.[6]
Ergänzt werden die Dokumentationspflichten des § 90 Abs. 3 AO durch weitere Anzeige- und Mitteilungspflichten: So besteht eine Anzeigepflicht über den Erwerb von qualifizierten unmittelbare und mittelbare Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften nach § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO[7] sowie nach § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO[8] eine Anzeigepflicht über eigene oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 AO bestehende Geschäftsbeziehungen zu Personengesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen in Drittstaaten (legal definiert als „Drittstaat-Gesellschaft“), die sie unmittelbar oder mittelbar beherrschen oder bestimmen können, und zwar unabhängig davon, ob sie an dem Unternehmen formal beteiligt sind oder nicht. Finanzinstitute müssen nach § 138b AO[9] den Finanzbehörden von ihnen hergestellte oder vermittelte Geschäftsbeziehungen inländischer Steuerpflichtiger zu Drittstaat-Gesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen mitteilen. Das BMF hat am 5. Februar 2017 ein Schreiben zu den Mitteilungspflichten nach §§ 138 Abs. 2 und 138b AO herausgegeben.[10]
Gemäß § 147a Abs. 2 AO[11] haben Steuerpflichtige, die allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss auf die gesellschaftsrechtlichen, finanziellen oder geschäftlichen Angelegenheiten einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Abs. 3 AO ausüben können, haben die Aufzeichnungen und Unterlagen über diese Beziehung und alle damit verbundenen Einnahmen und Ausgaben sechs Jahre aufzubewahren.
Ziel der gesamten Verrechnungspreisdiskussion ist es, dem Fremdvergleichsgrundsatz zu genügen, also den Preis und die Bedingungen zu vereinbaren, die fremde Dritte (also nicht konzernverbundene Unternehmen) miteinander vereinbart hätten.
Rechtsgrundlagen im nationalen Recht sind § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, § 1 Abs. 1 AStG; Rechtsgrundlage des internationalen Rechts ist Art. 9 Abs. 1 OECD-MA, der eine Korrektur des zugewiesenen Besteuerungsrechts vornimmt, soweit innerhalb von verbundenen Unternehmen vom Fremdvergleichsgrundsatz abgewichen wird
[1] Zur Neufassung des § 90 Abs. 3 AO zur Umsetzung des OECD-Masterfile-Konzeptes durch das Erste BEPS-Umsetzungsgesetz (Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen vom 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000) vgl. die nachfolgenden Ausführungen unter Gliederungspunkt „e) OECD-Masterfile-Konzept: Vorgaben und Ziele“.
[2] GAufzV vom 13.11.2003, BGBl I 2003 S. 2296, aktuelle Fassung vom 12.07.2017, BGBl. I S. 2367. Vertiefend Neufassung der GAufzV 2017: Buse/Schreiber/Greil, Neuerungen im Bereich der Verrechnungspreisdokumentation, DB 2017 S. 514.
[3] BMF-Schreiben vom 12.04.2005 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren), IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl I S. 570.
[4] BFH vom 10.04.2013, I R 45/11, IStR 2013 S. 710. Vertiefend: Gläser/Birk, Grenzenlose Pflicht zur Verrechnungspreisdokumentation? Anmerkungen zum BFH-Urteil vom 10.04.2013, I R 45/11, IStR 2014 S. 99.
[5] S. Rn. 44 der Urteilsgründe.
[6] S. Rn. 37 und 52 der Urteilsgründe.
[7] Neu gefasst durch das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz) vom 23.06.2017, BGBl I S. 1682.
[8] Neu gefasst durch das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz) vom 23.06.2017, BGBl I S. 1682.
[9] Neu eingefügt durch das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz) vom 23.06.2017, BGBl I S. 1682.
[10] BMF vom 05.02.2018, Mitteilungspflichten bei Auslandsbeziehungen nach § 138 Absatz 2 und § 138b AO in der Fassung des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes (StUmgBG), IV B 5 – S 1300/07/10087, veröffentlicht auf der Homepage des Bundesfinanzministeriums.
[11] Neu eingefügt durch das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz) vom 23.06.2017, BGBl I S. 1682.