a) Art. 15 Abs. 1 OECD-MA

Anwendbar ist Art. 15 OECD-MA nach deutschem innerstaatlichen Verständnis nur für natürliche Personen, die in Deutschland ansässig sind. Unter den Begriff der Vergütung, der selbst Oberbegriff für Gehälter und Löhne ist, fallen die laufenden Gehaltszahlungen sowie Sondervergütungen wie Überstundenvergütung, Auslandseinsatzprämien etc.[1] Maßgeblich für die Zuteilung von Vergütungen zur Auslands- oder zur Inlandstätigkeit ist allein der wirtschaftliche Veranlassungszusammenhang; unerheblich sind Zuflusszeitpunkt, Ort der Zahlung und Zahlungsweg.[2] Der Oberbegriff Vergütung ist weit auszulegen und kommt § 19 EStG sehr nahe, wobei jedoch Vorteile aus früheren Dienstleistungen abkommensrechtlich Art. 18 OECD-MA unterfallen.[3] Vergütungen, die übergreifend sowohl der Auslands- als auch der Inlandstätigkeit zuzuordnen sind (z. B. Weihnachts-, Urlaubsgeld), sind bei der Zuordnung anteilig zu erfassen.[4] Ein Sonderfall sind Abfindungszahlungen. Nach deutschem Verständnis sind diese i. d. R. dem Ansässigkeitsstaat zuzuordnen, denn es handelt sich nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit i.S. des Art. 15 Abs. 1 DBA, da solche Abfindungen nicht für eine konkrete Tätigkeit gezahlt werden, sondern für den Verlust des Arbeitsplatzes.[5]

Probleme ergeben sich immer dann, wenn der laufende Lohn nicht eindeutig zugeordnet werden kann. Die Aufteilung ist dann im Verhältnis der vereinbarten Arbeitstage im Ausland zu den übrigen Arbeitstagen vorzunehmen, wobei mit vereinbarten Arbeitstagen die Kalendertage pro Jahr abzüglich arbeitsfreier Tage (also Urlaub, Feier-, Sonn-, ggf. Samstage, Krankheitstage) gemeint sind. Den vereinbarten Arbeitstagen ist die für diese Zeit vereinbarte Vergütung (einschließlich Zusatzvergütungen) gegenüberzustellen.[6]

Die Unselbständigkeit der Arbeit wird, soweit sich eine Abgrenzung nicht schon aus den übrigen Artikeln des DBA ergibt, durch das innerstaatliche Steuerrecht des Anwenderstaates definiert; dieses ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.[7] Der Ort der Arbeitsausübung bestimmt sich gemäß Art. 3 Abs. 2 OECD-MA nach innerstaatlichem Recht und befindet sich grundsätzlich dort, wo sich der Arbeitnehmer bei Ausführung seiner unselbständigen Arbeit tatsächlich körperlich aufhält. Es kommt nicht darauf an, von wo gezahlt wird, wer zahlt, wo der Arbeitgeber ansässig ist, wo die Tätigkeit verwertet wird oder ob der Einsatz im Ausland notwendig war.[8]

[1] Vgl. auch die (nicht abschließende) Aufzählung bei Kamphaus/Büscher in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Erg.-liefg. Mai 2012, Art. 15 OECD-MA Rz. 38.

[2] Ungeregelt sind Vergütungen aus Optionen, die nach Rückkehr einer Auslandstätigkeit zufließen, der Staat des Arbeitsorts erkennt diesen Zufluss nicht oder besteuert jedenfalls nicht und Deutschland hat kein Besteuerungsrecht.

[3] Vgl. Kamphaus/Büscher in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Erg.-liefg. Mai 2012, Art. 15 OECD-MA Rz. 36.

[4] Vgl. BMF vom 14.03.2017, IV C 5 – S 2369/10/10002, BStBl I S. 473, Rn. 3 und 15.

[5] St. Rspr., vgl. BFH vom 10.06.2015, I R 79/13, BStBl II 2016 S. 326, bestätigt für die Abfindung an einen in die Schweiz verzogenen, zuvor im Inland tätigen Arbeitnehmer; für die Verwaltungsmeinung, vgl. BMF-Schreiben vom 03.05.2018, BStBl I 2018 S. 643, dort Tz. 5.5.5 Rz. 220 ff. Ergänzend ist hinzuweisen auf die fehlende Bindungswirkung etwaiger Sonderregelungen durch Konsultationsvereinbarungen: vgl. das zu § 24 KonsVerCHEV ergangene BFH-Urt. vom 10.06.2015, I R 79/13, BStBl. II 2016 S. 326, und die Ausdehnung dieser Rechtsprechung auf weitere Konsultationsvereinbarungen durch BMF-Schreiben vom 31.03.2016, BStBl. 2016 I S. 474..

[6] Vgl. BFH vom 29.01.1986, I R 109/85, BStBl II 1986 S. 479 und 513.

[7] Vgl. BFH vom 06.10.1971, I R 207/66, BStBl II 1972 S. 88.

[8] Vgl. Kamphaus/Büscher in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Erg.-liefg. Mai 2012, Art. 15 OECD-MA Rz. 51.