6. Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen

Die Besteuerungsrechte von Veräußerungsgewinnen regelt Art. 13 OECD-MA.

Bei Veräußerungsgewinnen gilt die Grundregel, dass das Besteuerungsrecht primär dem Staat zusteht, der vor der Veräußerung die Erträge des Objektes besteuern durfte. Für unbewegliches Vermögen wird in Absatz 1 auf Art. 6 OECD-MA verwiesen. Dem Quellenstaat steht das alleinige Besteuerungsrecht zu, der (Wohn-)Sitzstaat rechnet an oder stellt frei. Gleiches gilt bei Veräußerung von Anteilen, deren Wert zu mehr als 50 % auf unbeweglichem Vermögen in dem anderen Vertragsstaat ruht, vgl. Abs. 4.

Bei beweglichem Vermögen einer Betriebsstätte steht dem Quellenstaat das alleinige Besteuerungsrecht zu, der (Wohn-)Sitzstaat rechnet an oder stellt frei, Abs. 2.

Bei der Veräußerung von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gilt die Sonderregel des Absatzes 3, dass das alleinige Besteuerungsrecht dem Staat zusteht, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet

Für sonstige Vermögensveräußerungen weist Absatz 5 dem (Wohn-)Sitzstaat das alleinige Besteuerungsrecht zu, während dem Quellenstaat kein Besteuerungsrecht zusteht.

Exkurs: Die Lizenzschranke

Bei der sogenannten Lizenzschranke geht es um IP-Einkünfte, also um Einkünfte aus geistigem Eigentum. In diesem Zusammenhang existieren für grenzüberschreitende Unternehmen Möglichkeiten, Erträge aus Immaterialgüterrechten gesondert auszuweisen und niedriger zu besteuern als andere Erträge, diese Möglichkeiten werden als Lizenzbox (auch Patentbox oder IP-Box) bezeichnet. Die OECD hat diese Lizenzboxen in ihrem BEPS-Aktionspunkt Nr. 5 („Wirksamere Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz“) als schädlich eingestuft. Die OECD fordert stattdessen eine substanzielle Geschäftstätigkeit, d.h. Steuern sollen dem Staat zustehen, in dem die der Wertschöpfung zugrunde liegende Aktivität stattfindet, der sogenannte Nexus-Ansatz.[1]

Mit dem deutschen Lizenzschrankengesetz[2] wurde als Gegenmaßnahme die steuerliche Abzugsmöglichkeit der Aufwendungen für Rechteüberlassungen eingeschränkt, wenn die Zahlungen beim Empfänger aufgrund eines als schädlich einzustufenden Präferenzregimes nur einer geringen Besteuerung unterliegen. Hierzu ist ein neuer § 4j EStG “Aufwendungen für Rechteüberlassungen” geschaffen worden, die sogenannte Lizenzschranke. Sie gilt für den Betriebskostenabzug von Personenunternehmen, im Bereich der Überschusseinkünfte (§ 9 Abs. 5 Satz 2 EStG) und für  Körperschaften (§ 8 Abs. 1 KStG). Sie findet ebenfalls Anwendung auf im Ausland transparent besteuerte Personengesellschaften oder auf nach dem Check-the-Box-Verfahren[3] transparent besteuerte Gesellschaften. Lizenzzahlungen an fremde Dritte (Abgrenzung nach § 1 AStG) unterliegen nicht dem Abzugsverbot des § 4j EStG.

Nach § 4j EStG wird die steuerliche Abzugsmöglichkeit für Lizenzzahlungen und andere Aufwendungen für Rechteüberlassungen an nahe stehende Personen eingeschränkt, wenn beim Empfänger der Lizenzzahlung aufgrund einer “IP-Box, Patentbox oder Lizenzbox” die Belastung durch Ertragsteuern weniger als 25 % beträgt. Die wesentlichen Tatbestandsmerkmale sind

  • ein Näheverhältnis i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG;
  • eine fehlende substanzielle Geschäftstätigkeit (fehlender Nexus-Ansatz);
  • keine oder eine unter 25 % liegende Steuerlast (Niedrigsteuergrenze des 8 Abs. 3 AStG).

Dies gilt jedoch nach § 4j Abs. 1 Satz 2 1. HS EStG nicht, wenn die Abziehbarkeit der Aufwendungen beim Gläubiger oder der anderen dem Schuldner nahestehenden Person bereits nach der Lizenzschranke beschränkt ist. Eine Umgehung des Abzugsverbotes durch sogenannte Zwischenschaltungsfälle wird verhindert, indem bei mehreren Gläubigern in einer Beteiligungskette stets die niedrigste Belastung maßgeblich ist. Gemäß § 4j Abs. 1 Satz 4 EStG ist die Lizenzschranke nicht anzuwenden, soweit sich die niedrige Besteuerung daraus ergibt, dass die Einnahmen einer Präferenzregelung unterliegen, die dem Nexus-Ansatz im BEPS-Bericht der OECD entspricht.[4] Dieser ausdrückliche Verweis von § 4j Abs. 1 Satz 4 EStG auf einen Bericht einer außerparlamentarischen multilateralen Organisation, der nicht durch den deutschen Gesetzgeber verabschiedet wurde, wurde bereits als Verstoß gegen das Demokratieprinzip und damit als verfassungswidrig thematisiert.[5] Auch sei durch die in dem Bericht für die Mitgliedstaaten vorgesehen Spielräume der grundgesetzliche Bestimmtheitsgrundsatz verletzt.[6] Auch europarechtliche Bedenken wurden geäußert, u. a. da die Ziele der Zins- und Lizenzrichtlinie[7] unterlaufen würden, indem mit der deutschen Regelung zur Lizenzschranke die Besteuerung des Lizenzgebers Einfluss auf die Besteuerung des Lizenznehmers habe.[8] Weiterhin wird in der Literatur die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips – ähnlich wie bei der Zinsschranke[9]– kritisiert.[10] Die Lizenzschranke gilt ungeachtet eines bestehenden Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und stellt damit einen Treaty Override dar. Die Lizenzschranke gilt erstmals für Aufwendungen, die nach dem 31.12.2017 den Gewinn mindern.

[1] Vgl. OECD (2016), Wirksamere Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz, Aktionspunkt 5 – Abschlussbericht 2015, OECD/G20 Projekt Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, OECD Publishing, Paris. http://dx.doi.org/10.1787/9789264258037-de. Vertiefend: Link/Süßmann, Die deutsche „Lizenzschranke“ – Entwicklung, gesetzliche Umsetzung, weitere offene Fragen, steueranwaltsmagazin 4/2017 S. 149.

[2] Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen vom 27.06.2017, BGBl I S. 2074.

[3] Bei der US-amerikanischen Bundessteuer geltendes Wahlrecht für Unternehmen (mit Ausnahmen), transparent (als Personengesellschaft) oder intransparent (als Kapitalgesellschaft) besteuert zu werden.

[4] Kapitel 4 des Abschlussberichts 2015 zu Aktionspunkt 5, OECD (2016) „Wirksamere Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz“, OECD/G20 Projekt Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung. Amtlicher Hinweis: Zu beziehen über OECD Publishing, Paris. http://dx.doi.org/10.1787/9789264258037-de.

[5] Haarmann, BB 2017 S. I, Brandt, DB 2017 S. M 5.

[6] Haarmann, BB 2017 S. I.

[7] Richtlinie 2003/49/EG vom 03.06.2003, ABl 2003 Nr. L 157 S. 49.

[8] Haarmann, BB 2017 S. I; a.A. Benz/Böhmer, DB 2017, 206, 210 m.w.N.

[9] Die Regelung zur Zinsschranke wurde vom BFH für verfassungswidrig erachtet und mit Urteil vom 14.10.2015, I R 20/15, dem BVerfG vorgelegt (anhängig: 2 BvL 1/16).

[10] Benz/Böhmer, DB 2017, 206, 211.