4. Zinsrichtlinie 2003/48/EG

Die Zinsrichtlinie ist zum 1. Januar 2016 aufgehoben worden.[2] Der letzte Datenaustausch auf Basis der Zinsrichtlinie erfolgt im Kalenderjahr 2016. Für Österreich gibt es eine Sonderregelungen: die Aufhebungsrichtlinie gilt hier erst ab dem 1.1.2017. Bestimmte Verpflichtungen der Zinsrichtlinie gelten jedoch temporär weiter, dies ergibt sich im Einzelnen aus Art. 1 Abs. 2 Zins-RL (die diesbezügliche Sonderregelung für Österreich findet sich in Art. 1 Abs. 3 Zins-RL). Mit der Aufhebung der Zinsrichtlinie erübrigt sich auch die letzte Änderungs-Richtlinie 2014/18/EU  vom 24.03.2014, die von den Mitgliedstaaten bis zum 01.01.2016 hätte umgesetzt werden müssen.

Grund der Aufhebung der Zinsrichtlinie war die Verschärfung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung auf EU-Ebene  und auch auf internationaler Ebene.[3] Dadurch auftretende Überschneidungen (konkret: ein doppeltes Meldesystem) sollen durch die Aufhebung der Zinsrichtlinie vermieden werden. Bestehende Vereinbarungen der EU mit Drittstaaten, die auf der Zinsrichtlinie basieren, sollen an den neuen Standard angepasst werden[4]

Exkurs: Die Regelungen der Zinsrichtlinie

Anlass der Zinsrichtlinie war die Verzerrung der in den Art. 56 bis 60 EG-Vertrag garantierten Freiheit des Kapitalverkehrs durch die Vermeidung der Besteuerung bzw. die geringe Akzeptanz, auf erzielte Kapitaleinkünfte Steuern zu zahlen. Mit der Zinsrichtlinie soll eine effektive Besteuerung von Zinserträgen, die natürliche Personen in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Wohnsitzstaat erzielen, nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates erreicht werden. Ergänzend zur Zinsrichtlinie, die zwischen den EU-Mitgliedstaaten gilt, gibt es das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind.[5]

Das Konzept der Zinsrichtlinie basiert auf einem Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über Zinszahlungen an natürliche Personen. Der Quellenstaat erteilt Auskunft über die Kapitalerträge an den Wohnsitzstaat, die Besteuerung der Zinserträge erfolgt dann nach den Regeln des Wohnsitzstaates. Die Quellensteuer wird zwischen Quellen- und Wohnsitzstaat im Verhältnis 1:3 aufgeteilt.

Der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie betrifft nur einen Teil der Erträge, die sich mit Kapital erwirtschaften lassen, nämlich bestimmte in der Richtlinie festgelegte Zinszahlungen. Zahlungen an juristische Personen werden von der Zinsrichtlinie nicht erfasst. In der Praxis gab es infolgedessen Ausweichreaktionen, indem Gelder in Kapitalgesellschaften eingelegt wurden.

Ausnahmen gelten beim Quellensteuerabzug durch Österreich und Luxemburg i. H. v. 35 %, die Besteuerung der Zinserträge in Deutschland wird durch die Erhebung der Quellensteuer in Österreich und Luxemburg nicht ausgeschlossen. Über die Höhe der einbehaltenen Quellensteuer wird eine Steuergutschrift erteilt. Die Quellensteuer wird auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet oder, sofern die Quellensteuer die Einkommensteuer übersteigt, im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erstattet.[6]

Die Funktionsweise der EU-Zinsrichtlinie folgt dem in Art. 4 ZinsRL festgelegten Zahlstellenprinzip, wonach alle von einer Zahlstelle (i. d. R. Banken, aber auch Personenvereinigungen, Treuhänder für eine Erbengemeinschaft oder ein Rechtsanwalt mit einem Anderkonto für eine Personengruppe) an den wirtschaftlichen Eigentümer bewirkten Zinszahlungen unabhängig davon, ob sie aus Titeln des entsprechenden EU-Mitgliedstaates oder aus Titeln anderer (außer-) europäischer Staaten stammen, dem Informationsaustausch unterliegen. „Wirtschaftlicher Eigentümer“ in diesem Sinne ist gemäß Art. 2 ZinsRL jede natürliche Person, die eine Zinszahlung vereinnahmt oder zu deren Gunsten eine Zinszahlung erfolgt, es sei denn, sie weist nach, dass sie die Zahlung nicht für sich selbst vereinnahmt hat oder sie nicht zu ihren Gunsten erfolgt ist.

Das Verfahren nach der EU-Zinsrichtlinie läuft wie folgt ab: Die Zahlstellen haben Daten der Zinszahlungsvorgänge an die zuständige Behörde des Mitgliedstaates ihrer Niederlassung – in Deutschland: das Bundeszentralamt (BZSt) – zu übermitteln. Von dort werden die Daten an die zuständige Behörde des Wohnsitzstaates des Empfängers der Zinszahlung weitergegeben. Die zu erteilenden Auskünfte gemäß Art. 8 ZinsRL umfassen Identität und Wohnsitz des wirtschaftlichen Eigentümers sowie Name und Anschrift der Zahlstelle, weiterhin Kontonummer des wirtschaftlichen Eigentümers oder – in Ermangelung einer solchen – Kennzeichen der Forderung, aus der die Zinsen herrühren, sowie den Gesamtbetrag der Zinsen oder Erträge und den Gesamtbetrag des Erlöses aus der Abtretung, Rückzahlung oder Einlösung.

Der Zinsrichtlinie unterliegen nur grenzüberschreitende Zinserträge aus Forderungen, erfasst werden dabei Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 7, und Abs. 2 mit Ausnahme von dessen Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Die Beschränkung lässt Gestaltungen dahingehend zu, Kapitalerträge in Erträge zu transformieren, die nicht dem Informationsaustausch bzw. der Quellensteuer nach der Zinsrichtlinie unterliegen, z. B. in Altanleihen (sog. Grandfathering-Obligationen), Aktien-, Termin- oder Immobilienfonds, Fonds mit maximal 15 % schädlichen Anleihen sowie thesaurierende Investmentfonds mit einem Forderungsanteil bis zu 40 %, Termingeschäfte (z. B. Zertifikate, bei denen keine laufenden Erträge anfallen, sondern ein Ertrag nur durch Differenzausgleich realisiert wird) sowie Versicherungsleistungen wie z. B. Lebensversicherungen.

Die Zinsrichtlinie wurde über die Ermächtigungsvorschrift des § 45e EStG durch die Zinsinformationsverordnung (ZIV) in das deutsche Recht umgesetzt. Im Einführungsschreiben des BMF zur ZIV[7] wurde die Anwendung der ZIV weiter konkretisiert, indem die in der Zinsrichtlinie und der ZIV verwendeten Begriffe erläutert und Zweifelsfragen geklärt werden sollen. Zuständig für Informationsaustausch in Deutschland ist das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), § 9 Abs. 1 ZIV. Die deutsche Finanzverwaltung hat gemäß § 50b EStG das Recht, die Verhältnisse zu prüfen, die für die Mitteilung an das BZSt nach § 45e EStG von Bedeutung sind oder der Aufklärung bedürfen.

Es gab bereits seit längerem Bestrebungen, die Zinsrichtlinie auszuweiten. Am 24.03.2014 wurde von der EU-Kommission eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen angenommen.[8] Der Anwendungsbereich der Zinsrichtlinie sollte ausgeweitet und auch solche Zinszahlungen erfasst werden, die zwar an bestimmte Einrichtungen und Rechtsvereinbarungen erfolgen, letztendlich aber natürlichen Personen zugutekommen, damit sollten entsprechende Ausweichreaktionen ausgeschaltet werden. Bei Zinszahlungen an bestimmte zwischengeschaltete, außerhalb der EU niedergelassene Strukturen sollte die Zinsrichtlinie (also Auskunftserteilung oder Quellensteuer) so angewendet werden, als ob die Zahlung unmittelbar an die natürliche Person erfolgt wäre. Die jeweiligen Zahlstellen hätten durch nationales Recht in die Lage versetzt werden müssen, den tatsächlichen wirtschaftlichen Eigentümer einer Zahlung zu ermitteln, um der zuständigen Behörde die entsprechenden Auskünfte zu erteilen. Bis 2016 sollten die Regelungen der Änderungsrichtlinie von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umsetzen, ab 2017 sollte sie angewendet werden.

[1] Richtlinie des Rates vom 03.06.2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen ABl 2003, L 157/38; aktuell in der Fassung der Richtlinie 2014/48/EU des Rates vom 24.03.2014 zur Änderung der Richtlinie 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, ABl 2014, L 111/50.

[2] Durch die Aufhebungsrichtlinie (EU) 2015/2060 des Rates vom 10.11.2015, ABl vom 18.11.2015, L 301/1.

[3] Vgl. etwa die Richtlinie 2014/107/EG, ABl vom 16.12.2014, L 359/1, über die Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der direkten Steuern, die den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten enthält.

[4] Dies betrifft die Länder Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino und die Schweiz.

[5] ABl 2004, L 385/30.

[6] Kurzübersicht zur EU-Zinsrichtlinie: http://www.bzst.de/DE/Steuern_International/EU_Zinsrichtlinie/Merkblaetter/Laenderaufstellung.html;jsessionid=A4E9D15C107F52BB88BB76C6A 1E9FABA?nn=23300.

[7] BMF vom 06.01.2005 (E-ZIV); aktuelle Fassung: Anwendungsschreiben des BMF zur ZIV vom 30.01.2008, IV C 1 – S 2402-a/0, BGBl I 2008 S. 320; zuletzt geändert durch BMF vom 20.09.2013, BStBl I 2013 S. 1182 oder als Download auf der Homepage des BZSt.

[8] Richtlinie 2014/48/EU des Rates vom 24.03.2014 zur Änderung der Richtlinie 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, ABl 2014, L 111/50. Diese Änderungsrichtlinie ist durch die Aufhebung der Zinsrichtlinie zum 01.01.2016 hinfällig geworden.