1. Hintergrund und Entwicklung der Norm

Mit § 50i EStG „Besteuerung bestimmter Einkünfte und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen“[1] wurde eine weitere Treaty-override-Regelung geschaffen. § 50i EStG soll entsprechend der bisherigen Verwaltungsmeinung die inländische Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und laufenden Einkünften bei gewerblich geprägten Personengesellschaften insbesondere in den Fällen sicherstellen, in denen zur Vermeidung einer Entstrickungsbesteuerung werthaltige Kapitalgesellschaftsanteile in eine sogenannte Abschirm-KG (typischerweise eine GmbH & Co. KG) eingelegt wurden. Nach dem bisherigen Rechtsverständnis der Finanzverwaltung war auf die Einkünfte gewerblich geprägter Personengesellschaften Art. 7 OECD-MA „Unternehmensgewinne“ anzuwenden. Verfügte die Gesellschaft über eine inländische Betriebsstätte, blieben die Wirtschaftsgüter einschließlich der Anteile weiterhin im Inland steuerverstrickt, so dass im Fall der späteren Veräußerung der Wirtschaftsgüter oder Anteile durch den im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen der Veräußerungsgewinn uneingeschränkt besteuert werden konnte, Art. 13 Abs. 2 OECD-MA. Auch die laufenden Einkünfte, z. B. die auf die Anteile gezahlten Dividenden, konnten uneingeschränkt besteuert werden.[2]

Diese Auffassung wurde vom BFH nicht geteilt. Im Jahre 2010 entschied der BFH im Fall einer gewerblich geprägten, aber vermögensverwaltend tätigen US-amerikanischen Personengesellschaft mit in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern,[3] dass deren Zinserträge als Zinseinnahmen der deutschen und nicht als gewerbliche Gewinne eines Unternehmens der US-amerikanischen Besteuerung unterliegen. Mit anderen Worten werden nach BFH-Ansicht Einkünfte gewerblich geprägter Personengesellschaften nicht als Unternehmensgewinne im Sinne von Art. 7 OECD-MA angesehen, sondern unter die anderen jeweils einschlägigen DBA-Einkünfte-Verteilungsartikel subsumiert.

Für die sog. Abschirm-KGs, bei denen die in den Wirtschaftsgütern oder Anteilen enthaltenen stillen Reserven vom deutschen Fiskus zunächst nicht besteuert wurden, weil die deutsche Versteuerung des tatsächlichen Veräußerungsgewinn erst bei späterer Veräußerung oder Entnahme versteuert werden sollte, bedeutete dies, dass diese nachgelagerte deutsche Besteuerung nicht zum Tragen kam. Denn im Regelfall wird der dem Art. 13 Abs. 5 OECD-MA entsprechende DBA-Artikel zur Anwendung gelangen, der nach dem Wohnsitzprinzip (des mittlerweile im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen) eine Besteuerung im Ausland vorsieht.[4] Entsprechend ist die Lage bei der vermögensverwaltend tätigen Personengesellschaft als Besitzgesellschaft im Rahmen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung.[5]

Diese unerwünschten Rechtsfolgen haben den Gesetzgeber zur Schaffung des § 50i EStG veranlasst:[6]

„Zur Verhinderung erheblicher Steuerausfälle in Milliardenhöhe muss eine Regelung geschaffen werden, die die Besteuerung späterer Veräußerungsgewinne in den Fällen ermöglicht, in denen aufgrund des bisherigen Rechtsverständnisses der Finanzverwaltung im Zeitpunkt des Wegzugs ins Ausland, einer Umstrukturierung oder Überführung von Wirtschaftsgütern oder Anteilen auf die Besteuerung verzichtet wurde. Aus dem gleichen Grund ist es gerechtfertigt, dass die Einkünfte aus den überführten Wirtschaftsgütern oder Anteilen auch insoweit besteuert werden können, als das DBA deren Besteuerung einschränkt.“[7]

Im Sommer 2014 wurde der Tatbestand des § 50i Abs. 1 EStG erweitert und ein neuer Absatz 2 hinzugefügt.[8]

Die Norm erhielt ihre aktuelle Fassung durch das Erste BEPS-Umsetzungsgesetz vom 20.12.2016.[9] Die Absätze 1 und 2 wurden neu gefasst. Absatz 1 wurde auf die Fälle beschränkt, in denen der Ausschluss bzw. die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts vor dem 01.01.2017 eingetreten ist, d. h. die Suspendierung der allgemeinen Entstrickungsregeln nach § 50i Abs. 1 EStG gilt nur bis zum 31.12.2016; kommt es hingegen nach dem 31.12.2016 zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich der betreffenden Wirtschaftsgüter oder Anteile, findet § 50i Absatz 1 (und demzufolge auch Absatz 2) keine Anwendung mehr, so dass hierfür die allgemeinen Entstrickungsregelungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG anzuwenden sind. [10] Einzige Voraussetzung  für die Entstrickungsbesteuerung ist dann, dass das deutsche Besteuerungsrechte vollständig oder anteilig ausgeschlossen oder beschränkt werden. Hinsichtlich der laufenden Einkünfte aus der Beteiligung an der Personengesellschaft ist die Vorschrift des § 50 Abs. 1 EStG in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist.

Weiterhin wurde mit der Änderung durch das 1. BEPS-Umsetzungsgesetz die überschießende Wirkung des Absatzes 2 beseitigt.

Die Anwendungsregel für die Änderungen der Norm findet sich in § 52 Abs. 48 EStG.

Hinzuweisen ist ergänzend darauf, dass unionsrechtliche Bedenken gegen die Norm bestehen. Die allgemeine Entstrickungsbesteuerung ab dem 01.01.2017 tritt ein unabhängig davon, ob ein Wegzug in einen EU-Mitgliedstaat oder einen Drittstaat erfolgt. Bei Wegzug in einen EU-Mitgliedstaat können Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft hinsichtlich der Entstrickungsbesteuerung die Stundungsmöglichkeit des § 6 Abs. 5 AStG nutzen, Gesellschafter einer Personengesellschaft  hingegen nicht. Darin könnte eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit liegen.

[1] Durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.06.2013, BGBl I 2013 S. 1809.

[2] So die Begründung in den Empfehlungen des Finanzausschusses an den Bundesrat zur Einführung des § 50i EStG durch das JStG 2013, BR-Drs. 632/1/12 S. 17; vgl. auch Tz. 2.2.1 des BMF-Schreibens vom 16.04.2010, BStBl I 2010 S. 354 (dieses wurde mittlerweile ersetzt durch BMF vom 26.09.2014, IV B 5 – S 1300/09/10003, BStBl 2014 I S. 1258).

[3] BFH vom 28.04.2010, I R 81/09, BB 2010 S. 1897.

[4] Vgl. BR-Drs. 139/13 (Beschluss) vom 01.03.2013 S. 141, 142.

[5] Vgl. BFH Urteil vom 25.05.2011, I R 95/10, BFHE 234 S. 63.

[6] Eingefügt durch das Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz vom 26.06.2013, BGBl I 3013 S. 1809.

[7] BR-Drs. 139/13 (Beschluss) vom 01.03.2013 S. 142.

[8] Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014, BGBl I S. 1266.

[9] Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen vom 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000.

[10] Siehe Gesetzesbegründung in Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses vom 30.11.2016, BT-Drs. 18/10506, S. 73 f.