IV. § 50d Abs. 10 EStG

§ 50d Abs. 10 EStG enthält Regelungen für Sondervergütungen und betrifft folgenden Problemkreis: Unternehmensgewinne werden gemäß Art. 7 Abs. 7 OECD-MA behandelt. Sondervergütungen werden im Ausland als Betriebsausgaben anerkannt. Es erfolgt keine Besteuerung oder es wird lediglich eine Quellensteuer erhoben, weil die Sondervergütungen nicht als Unternehmensgewinne qualifiziert werden, sondern unter anderen DBA-Artikel (etwa Zinsen oder Lizenzen) erfasst werden. Die deutsche Finanzverwaltung wollte diese Sondervergütungen jedoch den Unternehmensgewinnen zurechnen. Mit dem JStG 2009[1] wurde daher in § 50d EStG ein Absatz 10 angefügt, nach dem Sondervergütungen, die in einem einschlägigen DBA nicht ausdrücklich geregelt sind, für Zwecke des DBA ausschließlich als Unternehmensgewinne gelten, § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG bleibt unberührt.

Der BFH[2] wandte sich jedoch gegen diese Regelung und entschied im Falle eines in den USA ansässigen Gesellschafters einer deutschen Personengesellschaft, dass die dem Gesellschafter von der Gesellschaft gewährten Lizenzvergütungen gemäß Art. 12 Abs. 1 DBA-USA 1989 a. F. nur in den USA und nicht in Deutschland besteuert werden, daran ändere auch die in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG angeordnete Umqualifizierung von Sondervergütungen in abkommensrechtliche Unternehmensgewinne nichts. Die tatbestandlichen Erfordernisse der Gesetzesfiktion in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG greifen nach Ansicht des BFH in vielfacher Hinsicht zu kurz, um eine unilaterale Umqualifizierung der abkommensrechtlich an sich gebotenen Einkünftequalifizierung zu erreichen. Der BFH bestätigte diese Rechtsprechungslinie in weiteren Entscheidungen zu Pensionszahlungen und nachträglichen Ruhegehältern deutscher Gesellschaften an in den USA lebende Gesellschafter bzw. Aufsichtsräte.[3]

Mit Beschluss vom 11.12.2013 legte der BFH[4] § 50d Abs. 10 EStG 2002/2009 schließlich dem Bundesverfassungsgericht[5] vor zwecks Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von der Norm und der dazu ergangenen Übergangsvorschriften sowie zur Zulässigkeit eines Treaty overrides. In seiner Beschlussbegründung führt der BFH aus, dass die betreffenden Normen „(…) gegen bindendes Völkervertragsrecht als materielle Gestaltungsschranke verstoßen und damit der in Art. 25 GG niedergelegten Wertentscheidung des Grundgesetzes zum Vorrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts zuwiderläuft, ohne dass dafür ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund vorliegt. Dadurch wird die Klägerin in ihrem durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisteten subjektiven Grundrecht auf Einhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung und damit auch des sog. Gesetzesvorbehalts verletzt.“[6] Die mit der Norm beabsichtigte Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Mitunternehmern blende aus, dass ausschl. im Inland tätige Steuerpflichtigen und Steuerpflichtige, die in einem ausländischen Staat tätig sind, der mit der BRD verbindlich die Anrechnungsmethode vereinbart hat, nicht vergleichbar seien, ebenso wenig vergleichbar wie beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige.[7]

Diese BFH-Rechtsprechung rief erneut den Gesetzgeber auf den Plan,[8] der Absatz 10 mit Wirkung ab dem 30.06.2013 neu fasste und damit den gesetzgeberischen Willen „klarstellte“, indem nun vorgesehen ist, dass in den Fällen, in denen sich für Sondervergütungen aufgrund des DBA-Betriebsstättenvorbehaltes kein deutsches Besteuerungsrecht ergibt, die Doppelbesteuerung dadurch zu beseitigen ist, dass eine anteilig auf die betreffenden Einkünfte entfallende ausländische Steuer bis zur Höhe der anteiligen, auf die Sondervergütungen entfallenden inländischen Einkommen- oder Körperschaftsteuer angerechnet wird.[9] Nach § 50d Abs. 10 EStG n. F. gilt eine Vergütung, die der Gesellschafter einer oHG, einer KG, einer KGaA oder anderen Gesellschaft, bei der er als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist, von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat, für DBA-Zwecke ausschließlich als Teil des Unternehmensgewinns des vergütungsberechtigten Gesellschafters, wenn das DBA keine ausdrückliche Regelung für diese Art von Vergütung enthält. Dies gilt auch für durch das Sonderbetriebsvermögen veranlassten Erträge und Aufwendungen. § 50d Abs. 10 EStG n. F. schreibt eine Zurechnung der Einkünfte zu der Betriebsstätte vor, der der Aufwand aus der Leistung zuzuordnen ist, sowie zur Vermeidung steuerlicher Überbelastung eine Anrechnung der im Ansässigkeitsstaat des Mitunternehmers auf die Einkünfte entfallenden Steuer auf die inländische Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer. Die Norm gilt jedoch nicht für gewerblich geprägte Personengesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.

Die Neuregelung des § 50d Abs. 10 EStG war gemäß § 52 Abs. 59a Satz 10 EStG a. F.[10] anzuwenden in allen Fällen, in denen die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist.

Mit Schreiben vom 26.09.2014,[11] welches das Vorgängerschreiben vom 16.04.2010 ersetzt und auf alle offenen Fälle anzuwenden ist, hat das BMF auch Ausführungen zur Behandlung von Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen gemäß § 50 Abs. 10 EStG in der Fassung des Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetzes gemacht, die die Aussagen der gesetzlichen Neufassung wiedergeben.[12] Danach sind Sondervergütungen sowie die durch das Sonderbetriebsvermögen veranlassten Erträge und Aufwendungen (einschließlich der Gewinne aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen) Unternehmensgewinne, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Sondervergütungen des im Inland ansässigen Gesellschafters einer ausländischen Personengesellschaft oder des im Ausland ansässigen Gesellschafters einer inländischen Personengesellschaft handelt. Keine Anwendung findet § 50 Abs. 10 EStG, wenn keine Sondervergütungen geleistet werden (unentgeltliche Überlassung) oder soweit die Personengesellschaft kein Unternehmensgewinne erzielt. In diesen Fällen bestimmen sich die Besteuerungsrechte nach den Vorschriften des jeweiligen DBA.[13] Dabei können Unternehmensgewinne im Sinne des Art. 7 OECD-MA jedoch nur solche sein, die aus einer ihrer Art nach „unternehmerischen“ Tätigkeit stammen, hierzu zählen nach dem BMF-Schreiben in der Regel Einkünfte aus einer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit. Art. 7 OECD-MA gelte auch nicht für Einkünfte aus anderen Tätigkeiten wie Vermögensverwaltung.[14] Weiter enthält das BMF-Schreiben auch Ausführungen zu gemischten Tätigkeiten und doppel- oder mehrstöckigen Personengesellschaften.[15]

[1] JStG 2009 vom 19.12.2008, BGBl I S. 2794, anzuwenden ab 01.01.2009.

[2] BFH vom 08.09.2010, I R 74/09, BFHE 231 S. 84.

[3] BFH vom 08.11.2010, I R 106/09, BB 2011 S. 360; BFH vom 07.12.2011, I R 5/11, IStR 2012 S. 222 m. Anm. von Wassermeyer und Pohl, dem folgend die Vorinstanz FG Düsseldorf vom 07.12.2010, 13 K 1214/06 E, EFG 2011 S. 878.

[4] BFH vom 11.12.2013, I R 4/13, NJW 2014 S. 1264; Vorinstanz: FG München vom 8.11.2012, 10 K 1984/11, EFG 2013 S. 45. Vgl. zum Vorlagebeschluss auch die Ausführungen unter § 9 Einleitung und Überblick, Unterpunkt „Aktuelle Entwicklung zum Treaty override“.

[5] Az. des BVerfG: 2 BvL 15/14. Hinweis auf BVerfG vom 15.12.2015, 2 BvL 1/12, NJW 2016, 1295, wonach Treaty Overriding zulässig sei.

[6] Rn. 8 des BFH-Beschlusses vom 11.12.2013, I R 4/13, NJW 2014 S. 1264.

[7] Rn. 40 des BFH-Beschlusses vom 11.12.2013, I R 4/13 NJW 2014 S. 1264.

[8] Durch Art. 2 des Gesetzes vom 26.06.2013, BGBl I S. 1809.

[9] So die Gesetzesbegründung vgl. BR-Drs. 139/13(B) S. 140 f.

[10]  § 52 Abs. 59a EStG ist durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, G. v. 25. Juli 2014 BGBl I S. 1266, aufgehoben worden, so dass mangels anderweitiger Regelung § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG gelten dürfte, wonach die Norm erstmals auf den Veranlagungszeitraum 2014 anzuwenden ist.

[11] BMF vom 26.09.2014 zur Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, IV B 5 – S 1300/09/10003, BStBl 2014 I S. 1258. Dieses Schreiben ersetzt die Vorgängerfassung BMF vom 16.04.2010, BStBl I 2010 S. 354.

[12] Zur Kritik am BMF-Schreiben vom 26.09.2014 und zur Vertiefung der Problematik: Sonnleitner/Winkelhog, BB 2014 S. 473, 477; Rosenberg/Placke, DB 2014 S. 2434.

[13] Tz. 5.1.1 BMF vom 26.09.2014, BStBl 2014 I S. 1258.

[14] Tz. 2.2.1. BMF vom 26.09.2014, BStBl 2014 I S. 1258.

[15] Tz. 2.2.1. BMF vom 26.09.2014, BStBl 2014 I S. 1258.