b) § 1 Abs. 4 AStG in der vom 01.01.2013 bis 30.12.2014 geltenden Fassung

§ Abs. 4 Satz 1a) AStG definiert die „Geschäftsbeziehung“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG. Nach der alten Definition war Geschäftsbeziehung „jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung“; nach der neuen Definition in Ziffer 1 sind eine Geschäftsbeziehung „einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge (Geschäftsvorfälle)“. Der Begriff „wirtschaftlicher Vorgang“ umfasst alle rechtlichen Beziehungen und tatsächlichen Handlungen.[1]

Diese Geschäftsvorfälle müssen, um in den Anwendungsbereich der Norm zu fallen, Teil einer Tätigkeit sein, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind oder im Fall einer ausländischen nahestehenden Person anzuwenden wären, wenn sich der Geschäftsvorfall im Inland ereignet hätte. Nach der Verwaltungsmeinung[2] ist bei der Prüfung der Norm für sämtliche Tatbestandsmerkmale wegzudenken, dass sie im Ausland verwirklicht wurden und anzunehmen, dass der Geschäftsvorfall in vollem Umfang im Inland stattgefunden hat. Hinsichtlich einer ausländischen nahe stehende Person sei anzunehmen, dass statt einer ausländischen nahe stehenden Person fiktiv eine inländische nahe stehende Person, die sich im Übrigen in der Situation der ausländischen nahe stehenden Person befindet, beteiligt sei. Unter Annahme dieser Fiktion sei zu prüfen, ob auf die Tätigkeit die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind.

Durch das Jahressteuergesetz 2015[3] wurde § 1 Abs. Satz 1 Ziffer 1a) AStG dahingehend umformuliert, dass dieses bisher schon bestehende Verständnis der Norm im Sinne des BMF-Schreibens vom 04.06.2014 klargestellt werden solle. Der Begriff „Geschäftsbeziehungen“ wurde durch den Begriff „Geschäftsvorfall“ ersetzt, da i. d. R. ein einzelner Geschäftsvorfall Gegenstand einer schuldrechtlichen Vereinbarung sei, nicht dagegen eine Geschäftsbeziehung, die aus einer Vielzahl von Geschäftsvorfällen mit dazugehörigen schuldrechtlichen Vereinbarungen bestehen könne. Als redaktionelle Änderung soll die Umstellung von der Mehrzahl auf die Einzahl im zweiten Halbsatz („eine schuldrechtliche Vereinbarung“) der Präzisierung der Regelung dienen. Nach der Gesetzesbegründung sei durch die Umformulierung deutlich, dass zu unterstellen ist, dass der Geschäftsvorfall im Inland stattfindet und die Beteiligten unbeschränkt steuerpflichtig sind.[4] Wenn unter diesen Annahmen der Geschäftsvorfall zu Einkünften im Sinne der genannten Normen führen würde, fällt der Geschäftsvorfall in den Anwendungsbereich der Norm.

  • 1 Abs. 4 Satz 1 Ziffer 1b) AStG enthält die weitere Voraussetzung, dass der Geschäftsvorfall nicht auf einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung beruht. Das FG Münster[5] hatte die Frage zu entscheiden, ob die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte unentgeltliche Überlassung einer Marke durch einen Gründungsgesellschafter an die Gesellschaft zur Verwendung in deren Firmennamen eine Geschäftsbeziehung im Sinne von § 1 Abs. 4 Satz 1 Ziffer 1b) AStG darstellt, m. a. W. ob die Vereinbarung der Markennutzung im Gründungsvertrag eine „gesellschaftsvertragliche Vereinbarung“ im Sinne der Norm ist. Nach der Verwaltungsmeinung ist eine Geschäftsbeziehung stets nach dem Grundsatz des Fremdverhaltens zu prüfen, unabhängig davon, ob sie durch betriebliche Vorgänge oder gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, und zwar auch dann, wenn die schuldrechtliche Vereinbarung in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wurde.[6] Das FG Münster entschied, dass die bloße Überlassung eines Namens durch einen Gesellschafter an die Gesellschaft eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung darstelle, demgegenüber aber die Nutzung eines geschützten Markennamens oder Markenzeichens auch im Konzernverbund verrechenbar und damit Gegenstand schuldrechtlicher Vereinbarungen sein könne, soweit der überlassenen Marke ein eigenständiger Wert zukommt, und lehnte eine gesellschaftsrechtliche Vereinbarung ab.[7] Der BFH hingegen entschied in der Revisionsinstanz, dass eine Namensnutzung im Konzern keine Geschäftsbeziehung i.S. von § 1 Abs. 4 AStG a.F. begründe, die den Ansatz eines Korrekturbetrages i.S.v. § 1 Abs. 1 AStG a.F. rechtfertige.[8] Im Streitfall liege lediglich eine Überlassung des Firmennamens durch einen Gesellschafter an die Gesellschaft als Gegenstand der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung –i.S.e. Erlaubnis, den Namen als Bestandteil des eigenen Firmennamens und damit i.S.d. deutschen Handelsrechts zur Unternehmensunterscheidung (§ 18 Abs. 1 HGB) zu nutzen– vor. Nur wenn durch einen Warenzeichen-Lizenzvertrag, der ein Recht zur Benutzung des Konzernnamens und des Firmenlogos als Warenzeichen für die im Gebiet verkauften oder zum Verkauf angebotenen Produkte einräumt, ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Namensrecht und produktbezogenem Markenrecht hergestellt werde, könne die Überlassung des Markenrechts, wenn insoweit ein eigenständiger Wert festzustellen ist, im Vordergrund stehen und insoweit ein fremdübliches Entgelt gefordert werden Dafür bestünden im Streitfall jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Soweit das FG Münster einen eigenständigen Wert der produktbezogenen Marke für den Geschäftsbetrieb der Tochtergesellschaft ermittelt hatte, ohne dazu konkret auf die unternehmerische Tätigkeit der Tochtergesellschaft bezogene Analysen einer Vorteilhaftigkeit i.S. eines “erwarteten Nutzens” vorzunehmen, komme einer solchen Einschätzung bezogen auf den hier einschlägigen Sachumstand der Nutzung der Marke im Firmennamen nach Auffassung des BFH keine Bedeutung zu.[9] Als Reaktion auf diese Rechtsprechung veröffentlichte das BMF am 07.04.2017 ein Schreiben[10] in welchem es (u.a.) Kriterien für die Abgrenzung zwischen einer „bloßen” Namensnutzung einerseits und der mit einer Namensnutzung ggf. unmittelbar verbundenen Überlassung von Markenrechten und anderen immateriellen Werten (z. B. Know-how) im Rahmen der Anwendung des § 1 AStG aufstellt. Das BMF-Schreiben gibt zudem Hinweise zur Berechnung des Entgelts der Höhe nach.[11]

Der Wirkungsbereich von § 1 AStG wurde durch die Neufassung in Abs. 4 Satz 1 Ziffer 2 auf sogenannte Innentransaktionen ausgeweitet, also auf Geschäftsvorfälle zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte, zwischen ausländischem Stammhaus und inländischer Betriebsstätte sowie zwischen in- und ausländischen Betriebsstätten desselben Unternehmens.

Von § 1 Abs. 4 Satz 2 AStG (Geschäftsbeziehung ohne schuldrechtliche Vereinbarungen) sind auch die Fälle erfasst, in denen keine schriftliche schuldrechtliche Vereinbarung zugrunde liegt; eine solche wird unterstellt, es sei denn, der Steuerpflichtige macht im Einzelfall etwas anderes glaubhaft (widerlegbare gesetzliche Vermutung).

[1] Gesetzesbegründung in BR-Drs. 139/13(B) S. 164.

[2] BMF vom 04.06.2014, IV B 5 – S 1341/07/10009, BStBl 2014 I S. 834.

[3] Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 24.09.2014, veröffentlicht auf der Homepage des BMF, idF. der Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses vom 03.12.2014, BT-Drs. 18/3441.

[4] Vgl. Regierungsentwurf vom 24.09.2014 S. 64.

[5] FG Münster vom 14.02.2014, 4 K 1053/11 E, veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank NRW unter http://www.justiz.nrw.de/nrwe/fgs/muenster/j2014/4_K_1053_11_E_Urteil_2014 0214.html. , Revision: BFH vom 21.01.2016, I R 22/14, DB 2016, 1169.

[6] Ziff. 1.4.2 d. BMF-Schreibens vom 14.05.2004, IV B 4 – S 1340 – 11/04, BStBl 2004 I S. 3 Sondernr. 1.

[7] Vgl. die Auseinandersetzung mit dem Urteil des FG Münster und der Frage, wann eine gesellschaftsrechtlich veranlasste Geschäftsbeziehung auch eine „gesellschaftsvertragliche Vereinbarung“ iSv. § 1 Abs. 4 AStG ist: Trieglaff, IStR 2014 S. 596, 597 m. w. N.

[8] BFH vom 21.01.2016, I R 22/14, DB 2016, 1169.

[9] Rz. 21 und 22 des BFH-Urteils vom 21.01.2016, I R 22/14, DB 2016, 1169.

[10] BMF vom 07.04.2017, IV B 5 – 1341/16/10003, BStBl 2017 I S. 701.

[11] Vertiefend: Birnbaum/Nientimp, Namensnutzung im Konzern: Was bringt das BMF-Schreiben vom 07.04.2017?, DB 2017 S. 1673, sowie Strothenke, Grenzüberschreitende Namensnutzung im Konzern, Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 7.4.2017, StuB 2017 S. 540.