4. Informationsaustausch nach dem TIEA-M

Deutschland hat eine Vielzahl von DBA, die inhaltlich verschiedene Regelungen der Vermeidung der doppelten Besteuerung aufweisen und immer auch eine Auskunftsklausel enthalten. Mit den sog. Steueroasen gab es keine Abkommen. Die Gefahr einer doppelten Besteuerung bestand nicht, denn im Steueroasenland wurden ja keine Steuern erhoben. Sinn des Oasenlandes war es ja gerade, keine Steuern zu erheben und keine Auskunft zu geben.

2002 wurde von der OECD unter Mitwirkung von Steueroasenländern dasTax Information Exchange Agreement Model“ veröffentlicht. Hierbei handelt es sich um ein „Musterübereinkommen über einen effektiven Austausch von Informationen in Steuerangelegenheiten“, kurz OECD-Standard 2002 oder TIEA-M genannt. Dieses sieht einen umfassenden steuerlichen Informationsaustausch zwischen OECD-Mitgliedstaaten und den von der OECD identifizierten Steueroasen vor. Weitere Regelungen zur Vermeidung einer eventuellen doppelten Besteuerung enthält dieser Regelungsvorschlag nicht.

Wesentlicher Inhalt des OECD-Standard 2002 (TIEA-M) ist die Sicherstellung des Auskunftsaustausches. Dazu wurden folgende Inhalte vereinbart: Die Finanzverwaltung eines Vertragsstaates kann die Finanzverwaltung des anderen Vertragsstaates um die Übermittlung bestimmter, steuerlich relevanter Informationen bitten. Es ist vorgesehen, dass sich die Finanzverwaltung des anderen Vertragsstaates die begehrten Informationen beschaffen muss, selbst wenn sie über diese noch nicht verfügt. Informationen müssen selbst dann erteilt werden, wenn das innerstaatliche Recht des zur Auskunft verpflichteten Staates einen derartigen Informationsaustausch nicht oder nur eingeschränkt vorsieht (z. B. Verzicht auf das Prinzip der beiderseitigen Strafbarkeit in Fällen, in denen der ersuchte Staat eine betreffende Steuer nicht kennt). Bankgeheimnisse dürfen einer Auskunftserteilung nicht entgegenstehen. Ein Vertragsstaat ist bei Zustimmung durch den anderen Vertragsstaat berechtigt, Außenprüfungen bei dem im anderen Vertragsstaat ansässigen Unternehmen und Personen durchzuführen, und der Außenprüfung können auch ausländische Prüfer beiwohnen, falls diese Außenprüfung hilft, steuerlich relevante Sachverhalte zu ermitteln.

Der EuGH[1] hat entschieden, dass es zulässig sei, Steuerpflichtige aus einem EWR-Staat[2] steuerlich schlechter zu stellen, als die betreffenden inländischen Steuerpflichtigen, wenn mit diesem EWR-Staat kein Auskunftsabkommen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung abgeschlossen worden ist. Anders verhält es sich nach Auffassung des EuGH bei einem Steuerpflichtigen, der in einem EU-Mitgliedstaat ansässig ist. Aufgrund der Amtshilferichtlinie 77/799/EWG können die nationalen Steuerverwaltungen Auskünfte untereinander austauschen bzw. anfordern.

Das BMF hat am 10.11.2015 ein Schreiben zur Anwendung der Abkommen über den steuerlichen Informationsaustausch (Tax Information Exchange Agreement – TIEA) herausgegeben.[3] Dieses Schreiben enthält Ausführungen zur

  • Amtshilfe für Zwecke des Besteuerungsverfahrens (u. a. mit Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 25.05.2012[4] – IV B 6 – S 1320/07/10004 und auf Art. 5 TIEA-M) mit Standardformblättern für Auskunftsersuchen;
  • Amtshilfe und Steuerstrafverfahren (so etwa Grundsätze für die Entscheidung, ob im laufenden Steuerstrafverfahren der Amtshilfe- oder der Rechtshilfeweg zu beschreiten ist);
  • Übergangsvorschriften für Zeiten vor Inkrafttreten der jeweiligen TIEA;
  • Rechtshilfe im Steuerstraf- und Bußgeldverfahren;
  • Anwesenheit in- oder ausländischer Bediensteter bei Ermittlungshandlungen im anderen Vertragsstaat im Wege der Amtshilfe und zum Zwecke der Amtshilfe.

Die OECD erstellte im Juni 2015 ein Änderungsprotokoll zum TIEA-Musterabkommen. Mit der Einfügung der neuen Artikel 5a und 5b ist nunmehr neben den Ersuchensauskünften auch die Möglichkeit eines automatischen Informationsaustausches und der Spontanauskunft vorgesehen.  Die bis zum 01.01.2017 von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen TIE-Abkommen enthalten diese Möglichkeiten nicht.  In Zukunft will Deutschland jedoch von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen.

[1] EuGH vom 28.10.2010, Rs. C-72/09 „Rimbaud SA“, IStR 2010 S. 842.

[2] EWR-Staaten sind Island, Liechtenstein und Norwegen.

[3] BMF vom 10.11.2015, IV B 6 – S 1301/11/10002, BStBl. I 2016 S. 138.

[4] Aktueller Stand: BMF vom 23.11.2015, IV B 6 – S 1320/07/10004, BStBl. I S. 928: Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen; Stand: 1. Januar 2013.