3.1.3.2.6 Sperre gemäß § 371 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 AO: Die Entdeckung der Tat

Eine wirksame Selbstanzeige ist nicht mehr möglich, wenn eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste bzw. bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Die Tat ist entdeckt, wenn ein hinreichender Tatverdacht im Sinne von § 203 StPO besteht, wenn also nach der vorläufigen Tatbewertung eine strafrechtliche Verurteilung wegen der Tat wahrscheinlich ist. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose sind auf Grund dessen, dass sie auf einer kleinen Tatsachenbasis erfolgt, niedrig anzusetzen.

Nicht erforderlich ist ein Anfangsverdacht nach § 152 StPO, der für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Anlass gibt.
Allein die Kenntnis des Finanzamtes von der Tatsache, dass durch einen Steuerpflichtigen keine Steuererklärungen abgegeben wurden, genügt nicht für eine Entdeckung der Tat. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung muss geprüft werden, ob ausreichende Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass eine Steuerschuld bestehe und ein Vorsatz bezüglich der Steuerhinterziehung vorliege: Erst die Feststellung, dass nach allgemeiner, kriminalistischer Erfahrung alle Umstände des Einzelfalls darauf schließen lassen, dass eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit naheliegt, vermag eine Entdeckung zu begründen. Jedoch kann die vom Finanzamt als „Entdeckung der Tat“ beschriebene Kenntnis von Indizien einer Steuerhinterziehung juristisch argumentiert oftmals einfach widerlegt werden.

Außerdem ist zu beachten, dass eine Sperrwirkung nur eintritt, wenn zu den objektiven Voraussetzungen der Tat dazu kommt, dass der Täter auf subjektiver Ebene von der Tatentdeckung wusste oder zumindest bei verständiger Würdigung der Sachlage hiermit hätte rechnen können. Es kommt damit auf die individuelle Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit des Täters an: Er muss aus der ihm bekannten Sachlage geschlossen haben, dass eine bereits erfolgte Entdeckung der Tat jedenfalls nicht unwahrscheinlich ist oder er hätte auf Basis seiner Kenntnisse zur Sachlage zu diesem Schluss kommen müssen.

Nur der Fall, dass der Täter die Tatentdeckung für äußerst unwahrscheinlich hält, führt zu dem Ausschluss der Sperrwirkung, reine Zweifel daran, ob eine Entdeckung bereits erfolgt ist, nicht. Kann dem Täter das Wissen über bestimmte Umstände, die ihn auf die erfolgte Entdeckung hätten schließen lassen, nicht nachgewiesen werden, so ist nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ davon auszugehen, dass er dieses Wissen wirklich nicht besitzt.